Kantorei St. Nicolai singt wenig bekanntes Weihnachtsoratorium

Nachricht 03. Dezember 2016

Voll Empathie, Wärme und Dramatik

04122016TKantoreiOratorium
Foto: Steffani-Böringer

Sarstedt (stb). Als der ganz große Wurf entpuppte sich das Weihnachtsoratorium, das Joachim Engel, Kantor der St. Nicolai-Gemeinde und Leiter der Kantorei, für das diesjährige Adventskonzert „ausgegraben“ hatte: „In Festum Nativitatis Christi“  des Barockkomponisten Carl Heinrich Graun (1704-1759) ist ein ausgesprochen selten aufgeführtes Meisterwerk. Über 200 Jahre war es verschollen, bevor es in den 1970er Jahren in Washington in der dortigen „Library of Congress“ wiederentdeckt wurde. Allerdings hat es dann noch mal bis zur Veröffentlichung 1998 gedauert, bis die Öffentlichkeit wieder die Möglichkeit hatte, davon Kenntnis zu nehmen. Der Komponist Graun – zu Lebzeiten mit seinen Opern als regelrechter Star europaweit gefeiert – verdingte sich seinen Lebensunterhalt als Kapellmeister am Hofe des Preußenkönigs Friedrichs II. Die Musik Grauns steht am Wendepunkt des Barock hin zum „Galanten Stil“, einer Stilistik, die heute als Wegbereiter der Musik Haydns und Mozarts gilt.

Grauns Weihnachtsoratorium ist eine an der Oper orientierte, dramaturgisch intelligent gestaltete Einheit. Zu Beginn und zum Schluss leistet sich Graun das barocke, prunkvolle Jubilieren –– inklusive kraftvoller Bläsersätze und stiltypischem Kontrapunkt –, dazwischen  dominieren emotional bewegende Arien voller dramatischer, melodienseliger, diffiziler Koloraturen und ergreifende Texte. Die wenigen Texte, die biblischen Ursprungs sind, kommen aus dem Lukas-Evangelium. Meist handelt es sich jedoch um frei gedichtete Betrachtungen und Dialoge über die Geburt Christi.

Am 2. Adventssonntag konnten rund 140 Zuhörerinnen und Zuhörer erleben, zu was eine gut aufgelegte St. Nicolai-Kantorei in Verbindung mit einem 22-köpfigen, großartig harmonierenden Projektorchester fähig ist. Dass das Orchester erst am Vortag, zur Generalprobe, erstmals in seiner Gesamtheit miteinander musizierte, war ihm nicht anzuhören.
Dazu waren auch die Solisten bestens bei Stimme. Sopranistin Cecilia de Maizière sang „Doch welcher Zweifel fesselt mich“ so die innere psychische Zerrissenheit herauskehrend, dass es sich hier auch um die Arie einer zweifelnden Liebenden hätte handeln können. Graun war ein Meister im Opernfach, das hörte man. Und de Maizière hat dazu die passende Stimme, herrlich mühelos Töne und Dynamik haltend.
Mitgerissen war das Publikum auch von der Arie „Abgrund krache“, die der Bassist Adrian Brunner wunderbar verständlich vortrug und die durch dramatische Streicher unterstrichen wurde.
Susanne Wiencierz, die mit ihrem warmen, empathischen und auch in den Höhen vollen Alt für philosophisch-melancholische Töne sorgte, verbalisierte glaubhaft verlässlichen Zuspruch und Zuversicht.
Der Tenor Christoph Rosenbaum überzeugte vor allem durch seine stimmige Phrasierung.
Kantor Joachim Engel dirigierte mit dezenter Pointierung der feinen Details die Solisten ebenso wie die von ihm bestens vorbereitete Kantorei, die sich an diesem Abend als stimmgewaltiger, harmonischer Klangkörper präsentierte.

 

Ankündigen möchten wir schonmal 2 Konzerte in 2017:

Sonntag, 31.03.17 - 20.00 Uhr
Konzert mit den Gospelvoices Hildesheim
Eintritt frei, Spende am Ausgang erbeten

Freitag, 12.05.2017 - 19.30 Uhr
Konzert mit dem Cellisten Ludwig Frankmar (Berlin) - Solowerke für Violoncello u. a. von Joh. Seb. Bach Bach
Eintritt frei, Spende am Ausgang erbeten