Man kennt Hans-Martin Joost. In Sarstedt sowieso, weil er dort die Paul-Gerhardt-Gemeinde aufgebaut hat. Aber auch an vielen anderen Orten in der Region, denn als Springer ist er in den letzten vier Jahren überall dort eingesprungen, wo Pastor:innen fehlten: In Diekholzen, Hasede, Bolzum und Wätzum, außerdem in diversen Hildesheimer Gemeinden. Jetzt geht er in den Ruhestand. Am 13. Februar wird er um 15 Uhr in der Himmelsthürer Pauluskirche mit einem Gottesdienst verabschiedet.
Seit gut 14 Jahren wohnt er mit seiner Familie in Hildesheim. Lange Zeit war die Elbe der rote Faden, der sich durch sein Leben zog. Aufgewachsen ist er in Hitzacker bei Gorleben. „Wir konnten von unserer Wohnung aus direkt auf die Elbe gucken“, erzählt er. Und fügt hinzu: „Im Angesicht der Grenze.“
Immer wieder seien Menschen aus der DDR über den Fluss geflüchtet, vor allem im Kältewinter 1970, als die Elbe zugefroren war und die zackigen Eisschollen Sichtschutz vor den Grenzern boten. Ob ihn die Erlebnisse politisch geprägt haben? Ja, sagt der heute 65-Jährige. Allerdings nicht im Sinne von rechts oder links. Sondern durch die Einsicht: „Mit einer vernünftigen Friedenspolitik kann so etwas nicht passieren.“ Und so wurde der Einsatz für den Frieden ein Leitthema seiner Arbeit als Pastor.
Man könnte denken, die sei ihm in die Wiege gelegt worden, denn der Vater war Kirchenmusiker. Doch das Gegenteil war der Fall. „Mein Vater war im ständigen Krieg mit den Pastoren“, erzählt Joost. Als er verkündete, dass er Theologie studieren würde, war die Reaktion alles andere als begeistert. „Na ja“, sagte der Vater, „du warst ja schon immer ein bisschen komisch.“ Später aber, ergänzt Joost, habe ihn der Vater um Rat gebeten, als der Tod näher und die Frage nach dem Sinn des Lebens in den Mittelpunkt rückte.
Hans-Martin Joost studierte in Göttingen und Tübingen („da habe ich sogar noch eine Vorlesung von Ernst Bloch gehört“), zog zum Vikariat gleich wieder an die Elbe, etwas stromabwärts in Stade. Es war die Zeit des Nato-Doppelbeschlusses und der Rüstungsdebatten; der Vikar war bei Fastenaktionen, Mahnwachen und anderen Protesten dabei. Außerdem organisierte er einen Vortrag des damaligen Berliner Bischofs Martin Kruse im Stader Rathaus – und lernte bei der Gelegenheit dessen Tochter Susanne kennen. Das war vor 40 Jahren, seither sind die beiden ein Paar.
Auch bei der ersten Pfarrstelle blieb Joost dem Fluss und der Friedensarbeit treu: in Freiburg an der Unterelbe. Dann doch die Abkehr von der Elbe, hin zur kleinen Leine: Hans-Martin Joost wurde Referent im Landeskirchenamt Hannover, assistierte dem für Diakonie zuständigen Dezernenten: „Das war ein Aha-Erlebnis, weil meine sozial-liberale Ader da gefüttert wurde.“
1994 wechselte er nach Sarstedt, um die Paul-Gerhardt-Gemeinde zu gründen und in ein gutes Fahrwasser zu bringen. Familiär passte das bestens: Inzwischen gab es zwei Kinder, die mit der Gemeinde langsam erwachsen wurden.
Nach 13 Jahren ist es Zeit für die nächste Veränderung – privat nach Hildesheim, beruflich nach Hannover, wo er Diakoniepastor der Landeskirche wird. Die Verantwortung für die Diakonie mit ihren Angeboten wie Obdachlosenarbeit, Sozial- und Lebensberatung, Familienhilfe, Fairkauf oder Altenhilfe sei eine „unheimlich gute Arbeit“ gewesen, sagt er. Doch nach vier Jahren habe er einsehen müssen, dass das Leiten, Strukturieren und Organisieren eigentlich nicht zu seinen Gaben gehörte.
So beendet er schweren Herzens diesen Abschnitt und wird wieder Gemeindepastor, diesmal an der Friedenskirche in Peine. „Das war eine sehr, sehr spannende Zeit“, erinnert er sich, vor allem wegen der vielen Flüchtlinge, die 2015 und 2016 nach Peine kommen und die im Gemeindeleben eine wichtige Rolle spielen.
Des Pendelns von Hildesheim nach Peine überdrüssig, bewirbt er sich 2017 schließlich auf die Springerstelle im Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt, bringt hier zuletzt die Fusion der Gemeinden Zwölf Apostel und Marienrode auf den Weg. Auch bei der baulichen Neuaufstellung der Himmelsthürer Paulusgemeinde wirkt er mit.
Für die Zukunft hat sich Hans-Martin Joost schon einiges vorgenommen. Er will sich in der Umweltorganisation BUND engagieren und Lesepate in der Grundschule Nord werden. Außerdem, sagt er, sei er ein „Gartenfreak“. Ach ja, Lesen und Malen sind weitere Hobbys.