Sarstedt (stb). Sechs Jahre hat es gedauert: Jedes Jahr im Spätsommer hat sich jeweils ein gutes Dutzend Männer aus den evangelischen Gemeinden Sarstedts für ein langes Wochenende auf den Weg gemacht und ist „mit der Seele gewandert“.
Der Pilgerweg Loccum-Volkenroda führt auf rund 290 Kilometern vom Kloster Loccum im Landkreis Nienburg/Weser zu dessen „Mutterkloster“ im nordwest-thüringischen Volkenroda, auf dem Weg zahlreiche Klöster, Ruinen und Spuren, die der Reform-Orden der Zisterzienser vor vielen Jahrhunderten hinterlassen hat. 2005 wurden die beiden ehemaligen Zisterzienserklöster Loccum und Volkenroda durch den Haupt-Pilgerweg auf alten, mittelalterlichen Pfaden wieder miteinander verbunden. Es geht durch die abwechslungsreichen Naturlandschaften entlang der Weser, über das Wesergebirge, den Vogler, den Solling und durch das Eichsfeld.
Dieses Jahr nun stand die letzte Etappe an. 19 Männer mittleren und gehobenen Alters, tapfer und motiviert, schnürten die Wanderschuhe, schulterten den Rucksack und machten sich am ersten Septemberwochenende auf den Weg. Mit dem Zug ging es bis nach Leinefelde, dem Quellort der Leine, ab da weiter auf Schusters Rappen durch Dorf und Feld bis nach Mühlhausen, wo sich des Abends Zeit für Deutschlands größte Kirmes mit Veranstaltungen an allen Ecken der Stadt fand.
Ziel der Pilgertour war das ehemalige Kloster Volkenroda. 1131 n. Chr. gegründet, war es im 12. Jh. zu einem der reichsten Klöster Thüringens geworden. Seine kreuzförmige romanische Basilika wurde jedoch in den sogenannten Bauernkriegen 1525 durch die Truppen des Reformators und Revolutionärs Thomas Müntzer geplündert und teilweise zerstört, das Kloster dann 1540 endgültig aufgehoben. Heute gestaltet die ökumenische Kommunität der Jesus-Bruderschaft das klösterliche Leben; Klostergemeinschaft und Landwirtschaft, Jugendbildung, geistliche Angebote, Kunst und Kultur ergänzen sich. Das Kloster ist heute Tagungsort und Sitz des Europäischen Jugendbildungszentrums. Zu den besonderen Attraktionen gehört der Christus-Pavillon der Weltausstellung EXPO 2000. Das imposante Gebäude, schon von Beginn an für eine dauerhafte Nutzung in Volkenroda konzipiert, wurde nach der EXPO demontiert und in Volkenroda wieder aufgebaut. Es wird für Gottesdienste sowie Kunst- und Kulturveranstaltungen genutzt.
Es herrschte prächtiges Pilgerwetter, sonnig und trocken, aber nicht zu warm, häufig führte der Weg entlang des Flüsschens Unstrut, vorbei an übervollen Obstbäumen am Wegesrand und auf alten Streuobstwiesen, „deren Früchte wir in vollen Zügen genossen“, wie der mitwandernde Pastor Matthias Fricke-Zieseniß begeistert berichtet. „Eine faszinierende Mischung aus Naturerfahrung mit geistlichen Impulsen am Wegesrand oder in offenen Dorf-Kirchen auf der Strecke.“
Im Hotelgarten in Mühlhausen hielt Lutz Krügener, Vorgänger von Fricke-Zieseniß in der Sarstedter St. Nicolai-Gemeinde, eine Andacht, Fricke-Zieseniß predigte dann zum Abschluss der Pilgertour am Sonntag im restaurierten Altarraum der Basilika des Klosters Volkenroda.
Die Stimmung in dem evangelischen Männerkreis mit seinen ökumenischen Gästen war entsprechend heiter, viele intensive Gespräche über Fröhliches oder auch Schweres waren möglich. Als Höhepunkt empfand nicht nur Fricke-Zieseniß „die letzte Tagesetappe, als 19 Männer schweigend gingen.“
Nun ist dieser Pilgerweg vollbracht. Überlegungen, wohin und wo lang es im nächsten Jahr gehen soll, werden jedoch schon angestellt.